"Wieviel mehr ist nun ein Mensch als ein Schaf! Darum darf man wohl am Sabbat Gutes tun" (Matth. 12:12)
Wir haben den jüdischen Pharisäern zu verdanken, daß Christus durch ihre Herausforderung diese große Wahrheit äußerte; Er hätte sie sonst nicht gerade auf die Art und Weise ausgesprochen. Die Pharisäer, die extrem formalistisch denken und immer auf Kleinlichkeiten achten, die als Fachleute im Entdecken und Hervorheben fremder Fehler gelten, konnten es nicht fassen, wie es möglich war, daß man den Sabbat brach. Ihrer Meinung nach sollte nach dem Gesetz des Mose der Sabbat in Ruhe und Untätigkeit verbracht werden. Die Juden verstanden den Sabbat eigenartig – genauso wie die Bulgaren den Sonntag. Der Bulgare bringt seine Ochsen in den Stall, läßt den Pflug in der Scheune liegen, zieht sich die guten Sachen an und mit der Pelzmütze auf dem Kopf geht er in die Kneipe; kaum hat er die Kneipe betreten, bestellt er schon laut: "Gib mal einen halben Liter Wein von dem Besten her – heute haben wir Sonntag. Sechs Tage müssen wir arbeiten, am siebten wollen wir trinken und schön feiern". So ähnlich haben auch die Juden den Sabbat begriffen. Und Christus verurteilte sie, indem Er einen Vergleich anstellte: "Wenn euer einziges Schaf", sagte Er zu ihnen, "euch am Sabbat in eine Grube fällt, werdet ihr es doch ergreifen und ihm heraushelfen – selbstverständlich nicht aus Liebe zu dem Schaf, sondern damit euer Interesse nicht darunter leidet. Aber, wenn es darauf ankommt, einem Menschen, der Hilfe braucht, etwas Gutes zu tun, macht ihr daraus eine Geschichte – man bräuchte nicht ausgerechnet am Samstag seine Hand zu heilen. Christus fügt noch etwas hinzu, das sehr wichtig ist – "und wieviel besser ist nun ein Mensch als ein Schaf", das heißt, wieviel höher steht das vernünftige Wesen als das unvernünftige. Wenn ihr für euren Magen 4-5 Stunden pro Tag kocht, um ihn zu bewirten, weil er ja stets blöckt, und ihr denkt: "Ich will ihn nicht leiden lassen, ich muß ihm doch etwas zu essen geben". Und warum, wenn es sich gerade um das vernünftige Wesen, um den Menschen, handelt, um die Erhebung seiner Gedanken, seines Herzens, sagt ihr: "Samstags geht es nicht, der richtige Augenblick wird noch kommen, es ist genug Zeit da, es kann warten"? Christus stellt zwei Bedingungen, indem Er sagt: "Genauso wie ihr euch um euer Schaf kümmert, demselben Gesetz folgend, müsste ich mich auch um das Vernünftige kümmern. Und wie ihr euerem Schaf aus der Grube heraushelft, so bin ich auch auf die Erde gekommen, um diese vernünftigen Wesen zu befreien – ihnen aus der Grube herauszuhelfen".
Jener Mensch hatte eine verdorrte Hand. Wißt ihr, was es bedeutet, wenn die Hand gelähmt ist? – Sein Wille war gelähmt und Christus sagte: "Ich werde seinen Willen wieder herstellen, damit er frei wirken kann, damit er seine Gedanken, sein Gefühl anwenden kann, weil er auf die Erde geschickt wurde, um zu arbeiten. Ob das am Montag, Dienstag, Mittwoch oder Samstag sein wird, spielt keine Rolle – wann es auch immer sei, Ich werde Meine Mission erfüllen". Und eine solche Arbeit, die das Göttliche Gesetz nicht verletzt, kann ein jeder verrichten, weil die Erholung nur für den Körper und nicht für den Geist bestimmt ist. Auf der Erde ruhen sich nur die Faulen aus, und sie ruhen sich jeden Tag aus. Die Fleißigen aber sagen: "Wenn Christus zu uns zurückkehrt, dann ruhen wir uns aus". So muß der wahre Christ die Arbeit begreifen.
Es gibt ein Grundprinzip, das wir zu berücksichtigen haben; es gibt bestimmte Gesetze, die wir begreifen müssen. Und nicht nur sie begreifen, sondern sie in unserem Leben anwenden. Ohne diese Anwendung ist jede Lehre, jede Religion, welche sie auch sei, fruchtlos. Es reicht nicht aus, daß eine Pflanze hervorsprießt, aufwächst, sich entfaltet, aufblüht, Früchte ansetzt – diese Frucht muß auch reif werden. Nur wenn die Frucht reif geworden ist, ist auch das Ziel dieser Pflanze erreicht. Folglich, laut dieses Gesetzes, kann ein Mensch zur Welt gebracht werden, aufwachsen, sich entwickeln und eine Frucht ansetzen, aber, wird die Frucht in seinem Inneren nicht reif, bleibt sein Leben fruchtlos. Christus machte die Hand des Menschen frei – Er stellte seinen Willen wieder her.
Wenn ihr das besagte Kapitel weiter lest, werdet ihr erfahren, daß man zu Jesus einen Besessenen, einen Blinden und einen Stummen brachte, und daß Er auch sie heilte. Diese Dinge hängen miteinander zusammen. Wer sind sie: der Besessene, der Blinde und der Stumme? Ihr könnt sagen, daß es diese Dinge nur zu Jesus Zeiten gegeben hat. Es gibt sie aber auch zu unserer Zeit. Ich möchte an dieser Stelle meine Ausführungen mit einem Beispiel unterbrechen, das den in diese Worte von Christus hineingelegten Sinn erklären soll. Es gibt eine Erzählung über den König Salomon, in der es heißt, daß er einen erfahrenen Geisterprinzen kommen ließ, damit dieser ihm beim Tempelbau hilft. Dieser Prinz aber, nachdem er ihm zeigte, wie man den Tempel bauen sollte, wollte auch seinen Thron ergattern. Als Salomon davon erfuhr, hielt er diesen Geist fest und steckte ihn dann in einen Krug, den er mit dem eigenen Siegel versiegelte und ins Meer warf. Nachdem der Prinz ungefähr zehn Jahre im Meer verbrachte, versprach er demjenigen, der den Krug aufmachen und ihn befreien würde, die schönste Frau der Welt zu geben. Keiner machte den Krug auf. Es vergingen hundert Jahre, er machte eine neue Versprechung: demjenigen, der den Krug aufmachen würde, um ihm herauszuhelfen, werde er nicht nur die schönste Frau, sondern auch die besten Kinder geben. Es erschien wieder keiner. Weitere 100, 200, 300 Jahre vergehen – wieder ein Versprechen: demjenigen, der den Krug aufmachen würde, werde er nicht nur die schönste Frau und die besten Kinder geben, sondern ihn selbst zum größten Gelehrten machen. Auch für dieses Glück fand sich da keiner. Er verspricht dann wieder etwas Anderes: demjenigen, der ihn erlöse, werde er nicht nur alle, vorherversprochenen Sachen geben, sondern ihn noch dazu zum König der Erde machen. Wieder erscheint keiner. Nach 500 Jahren sagte er: "Wer mich von nun an erlöst, den werde ich töten". Es vergeht einige Zeit, ein Fischer kommt fischen. Er wirft sein Netz, fängt den Krug auf und zieht ihn heraus. Er dachte, daß es im Krug einen großen Schatz gebe und begann, ihn zu entsiegeln. Als der Krug aufgemacht wurde, kam ein schwarzer Rauch daraus hoch und auf einmal erschien die Gestalt des Prinzen, der sagte: "Ich habe versprochen, denjenigen zu töten, der mich aus dem Krug befreit. Früher habe ich das und das versprochen, es erschien aber keiner; es ist dein Pech, niemand ist an deinem Los schuld". Der Fischer dachte: "Warum habe ich bloß diesen Krug entsiegelt!" Nach einer Weile sagte er aber zu dem Prinzen: "Ich kann es nicht glauben, daß du aus dem Krug herausgekommen bist. Du sollst mir zuerst beweisen, daß du aus dem Krug herausgekommen bist und dann kannst du mich töten". – "Ich war im Krug". – "Du warst nicht im Krug". – "Ich war im Krug". – "Warst du nicht". – "Ich war". – "Beweise es". Der Geist ging langsam wieder in den Krug hinein und als er ganz drin war, stopfte der Fischer den Krug sofort zu und sagte: "Wenn du mir die zuerst versprochenen Dinge gibst, lasse ich dich heraus".
So ist das Leben. Ihr kommt zu dieser Welt, die einem Meer gleich ist, ihr werft euer Netz, fangt einen Fisch auf und ihr habt gewonnen. Wenn die günstigen Bedingungen, einen guten Fischfang zu haben, vorhanden sind, seid ihr nicht da; wenn die Verhältnisse Leiden und Unglück mit sich bringen, werft ihr euer Netz und zieht den Krug mit dem bösen Geist heraus. Euch wird bestimmt ein Gegensatz bei diesem Märchen auffallen. Obwohl es nur ein Märchen ist, so zeigt es, daß jedes Leben mit günstigen und ungünstigen Bedingungen konfrontiert wird. Wir müssen die Gesetze verstehen, damit wir die günstigen Bedingungen ausnutzen können. Wenn wir wie dieser eine Fischer in ungünstige Verhältnisse geraten, werden wir den Tod ernten.
Kommen wir wieder zu den Worten Christi zurück, die Er gesagt hat, als man zu Ihm einen Besessenen, einen Blinden und einen Stummen gebracht hat. Der Besessene, der Blinde und der Stumme – all diese drei befinden sich in euch selbst. Hier gleicht ihr alle den Engeln, so schön und fromm seid ihr. Aber es kommt irgendein Besessener in euch und von da an gibt es nichts Anderes als Weinen und Zähneknirschen. Der Mann, die Kinder – sie alle laufen weg – "die Mutter ist besessen geworden". Ihr, die vernünftig seid, sollt die Hand ausstrecken, um den Besessenen zu heilen, indem ihr sagt: "Friede sei mit euch!"; so wie nur durch ein Wort Christi der Besessene aus dem Menschen vertrieben wurde, könnt ihr auch diese Worte aussprechen und den Kranken heilen. Wenn ihr eure Pferde in den Ställen zu füttern beginnt, da treten sie um sich herum los, ohne darauf zu achten, daß kleine Kinder in der Nähe sind; was sollt ihr tun? Ihr sagt wie der Bulgare "Pscht!" und zieht es am Zügel. Der Zügel – das ist das Gesetz. Jedes unvernünftige Wesen soll mit einem Zügel versehen sein. Dem vernünftigen Wesen aber ist die Rede gegeben worden, damit es sprechen kann. Also ihr sollt diesen Besessenen in euch auskurieren. Das Schaf da ist widerspenstig geworden, es ist besessen; ihr sollt es heilen. Es ist blind. Die Menschen sagen: "Wir aber sind nicht blind". Ich glaube, daß ihr es vielleicht nicht seid, es gibt aber viele, die es sind. Man hat eine Frau danach gefragt, die nicht lesen konnte, und sie hat geantwortet: "Ja, mein Sohn, ich bin blind, blind bin ich!" Könnt ihr nicht dieser Frau die Augen öffnen? Öffnet sie. Die Lehrer sind Menschen, die den Blinden die Augen öffnen; sie sind Wundertäter. Ihr schickt euren Sohn zu ihnen, in 10-15 Jahren schickt man ihn euch mit geöffneten Augen zurück. Und dem Tauben, dem sollt ihr auch die Ohren öffnen, so daß er hören und begreifen kann. Einem Menschen fällt das nicht schwer, weil er einen Verstand hat. Deshalb sagt Christus: "Wieviel mehr ist nun ein Mensch als ein Schaf!" Worin besteht das Leben eines Schafes? Es muß Gras weiden, um seinen Rücken mit ein bißchen Wolle zu bedecken und Milch zu geben. Dabei blöckt es manchmal euch zu. Ihr werdet sagen, was das Vernünftige an diesem Blöcken ist. Einige Zeitgenossen sind genauso wie die Schafe. Andauernd blöcken sie: ein Bruder beklagt sich über seinen Bruder, Diener beklagen sich über ihre Herren und Herren beklagen sich über ihre Diener; 365 Tage im Jahr singen sie alle ein und dasselbe Lied. Ist denn nicht ein solches Leben ein ständiges Blöcken? Christus sagt: "Wieviel höher steht der Mensch als ein Schaf", weil der Mensch denken kann. Seine Hand muß losgebunden sein; der Besessene in ihm muß geheilt werden; seine Blindheit muß weg und sein Gehör wiederhergestellt werden. Das will Christus mit diesen Worten sagen. Er spricht zu den Pharisäern: "Ihr versteht das Göttliche Grundgesetz nicht, und ich weiß, warum ihr Menschen mit gebundenen Händen bevorzieht: eure Interessen verlangen es, daß ihr gebrechliche Menschen haben wollt. Ihr sagt über den Blinden: "Es ist besser, daß er blind ist, so kann er unsere Verbrechen nicht sehen"; über den Tauben sagt ihr: "Es ist in unserem Interesse, daß er unwissend bleibt". Die Tatsache, daß es Menschen gibt, die die Aufklärung ablehnen, ist mit rein praktischen Gründen verbunden. Christus aber behauptet genau das Gegenteil: Er sagt, daß den Lahmen die Hände losgebunden werden sollen; die Besessenen, die Blinden und die Taubstummen sollen geheilt werden. Er will kluge Menschen haben, die den Willen Gottes verstehen und erfüllen können. Das bulgarische Wort 'Mann' (bulg. 'mash') verbirgt einen tiefen Sinn, es entstammt dem sanskritischen Wort 'manas', das 'Wesen, welches denkt' bedeutet; deshalb sagen auch die Leute: "Sei ein Mann", das heißt ein Wesen, das denkt, das überlegt, das den Willen hat, das zu tun, was gut ist. Das bedeutet, ein Mensch zu sein. Und seid fest davon überzeugt, daß es ein Gesetz gibt, das besagt: man kann nicht einen starken Willen haben, wenn man nicht Gutes tut. Manche behaupten: "Ich habe einen starken Willen". Wenn ich ein Rad von Vitoscha-Gebirge hinunterrolle, wird es hinunterrollen, aber es kann nicht nach oben zum Gipfel hinaufrollen. Von der Bergspitze an strömt ein Fluß mit Schwung herunter, er kann aber nicht bergauf zurückströmen. So ähnlich rollen und laufen die meisten Menschen herunter. Nur derjenige aber, der auf den Berg steigen kann, hat einen Willen; er kann bestimmte Hindernisse und Widerstände wegräumen und besiegen. Auch Christus wendet sich an die Juden und sagt: "Ihr sollt keine Schafe sein, ihr sollt nicht wie die Wesen sein, die nur herunterrollen, wie die Flüsse und die Steine, sondern ihr sollt Menschen sein, die hinauf zu Gott steigen, und folglich Seinen Willen erfüllen". Das wollte Er ihnen sagen. Sie verstanden Ihn. Auch im gegenwärtigen Leben kommen die Leute stets herunter, rollen bergab und fragen sich noch dazu, warum sie unglücklich sind. Ein jeder, der nach unten rollt, ist unglücklich. Glücklich ist man, wenn man anfängt, hinaufzusteigen. Solange man nicht begonnen hat, zu denken und zu überlegen, ist man unglücklich; beginnt man zu denken und zu überlegen, wird man glücklich und die früher unmöglichen Dinge des Lebens beginnen möglich zu werden.
Der in diesen Worten von Christus hineingelegte Gedanke hat für uns eine große Bedeutung. Wenn Gott im ersten Kapitel der Genesis sagt, Er habe den Menschen nach Seinem Bild und Gleichnis gemacht, wollte Er zum Ausdruck bringen, daß der Mensch so denken und handeln sollte, wie Gott denkt und schöpft, so daß er einen Willen hat. Nach Gleichnis bedeutet, die Dinge zu vergleichen, das heißt zwischen Gutem und Bösem zu unterscheiden, Harmonie zu schaffen. Zu denken und zu handeln – das ist ein Göttliches Prinzip, das Gott in uns hineingelegt hat. Und jeder, der nicht denkt und nicht handelt, wie es ihm Gott gebietet, ist nicht das Ebenbild Gottes, er ist ein Schaf. Damit wollen wir nicht sagen, daß das Schaf schlecht ist, wir meinen nur, daß die Bestimmung des Schafes zu weiden und Milch und Wolle zu geben ist, während die Bestimmung des Menschen eine ganz andere ist; er ist geschaffen worden, um alle Wesen zu regieren, um die Atmosphäre und alle anderen Elemente zu regulieren, die Erde zu verwalten. Er soll ein guter Herr werden und er kann ein solcher nur dann werden, wenn er das versteht, was Gott in ihn hineingelegt hat.
Nun man fragt oft: "Bist du ein Christ?" – "Was verstehst du unter dieser Bezeichnung?" – "Glaubst du an Christus?" – "Ich glaube an Ihn so wie ich daran glaube, daß der russische Zar einmal nach Bulgarien gekommen ist." – "Na und? Glaubt ihr, daß euer Schüler heute zur Schule gegangen ist?" – "Ich glaube es". Dieser Glaube aber soll ein bißchen weiter gehen; ich werde den Schüler folgendes fragen: "Hast du heute dem Lehrer aufmerksam zugehört?" – "Hab ich nicht". Ich werde zu ihm dann sagen: "Ich habe seinen Vortrag gehört und ich weiß über mehrere Dinge besser Bescheid als du". Dann werdet ihr sagen: "Du hast jenen Gedanken begriffen". Die Leute sagen: "Wir glauben, daß Christus gekommen ist, um die Welt zu erlösen". Gut, ihr predigt es immer wieder zweitausend Jahre lang; wie wird Er sie aber erlösen? – "Er hat Sein Blut vergossen, um die Menschen freizukaufen". Na gut, wenn ein bulgarischer Landwirt ein Paar Ochsen auf dem Markt kauft, was macht er mit ihnen? Er legt ihnen einen Halfter und ein Joch an, nimmt den Pflug und den Ochsenstachel und geht auf den Acker. Du glaubst an Christus, aber wenn du in der Situation eines Schafes bist und nicht tüchtig an die Arbeit gehst, dienst du etwa Christus? Du glaubst also, daß Er gekommen ist; sehr gut – hörst du aber auf Ihn? Nein. Ich rate dir, hinzugehen und Christus zuzuhören, wenn Er in Seiner Schule spricht, Seine Lehre zu begreifen und sie in deinem Leben anzuwenden. Von den Menschen verlange ich ja gar nicht, all das wegzuwerfen, was sie haben. Was ihr jetzt habt, ist, daß ihr immer noch die Grundschule besucht. 30-40 Jahre lang lernt ihr immer aus der Fibel und diese Fibel ist schon ganz zerfetzt. Nieder mit euren Fibeln, nehmt jetzt die Lesebücher. Ich kann es schon verstehen, wenn ein Mensch ein, zwei oder drei Jahre lang aus derselben Fibel lernt, aber 100 Jahre immer noch aus der Fibel zu buchstabieren, das verstehe ich nicht. "Die Lesebücher sollt ihr jetzt in die Hand nehmen!", sagt Christus. Und jenen, die die Lesebücher schon durch haben, sagt Er: "Nieder mit den Lesebüchern! Nehmt euch der Grammatik, der Mathematik, der Physik, der Chemie, des Religionsunterrichts an und geht voran. "Genug mit dem Blöken jetzt". – "Glaubst du, daß Christus gekommen ist!" Etwas mehr wird von euch verlangt. Hört zu, was Christus sagt, und lernt das, was Er mitgebracht hat. Nur dann werdet ihr den tiefen Sinn dieses Lebens erkennen. Und wenn ihr die Fähigkeit habt, zu denken, zu handeln und zu schaffen, habt ihr einen in euch verborgenen Vorteil, ihr habt Reichtümer, eine Fundgrube, die ihr fördern sollt – das sind euer Verstand, euer Willen. Ich frage euch jetzt: habt ihr an eurem Verstand und an eurem Willen gearbeitet oder bis jetzt nur über eurer Fibel herumgeblökt? Wenn Christus, Der kommt, in euren Häusern eine Kontrolle durchführt, wird Er absolut sicher feststellen können, ob ihr euch damit befaßt habt oder nicht. Ich meine nicht jene normalen Häuser, die ihr aufgebaut habt, sondern diese, in denen ihr jetzt wohnt und mit denen ihr hierher gekommen seid. Christus wird sehen, ob es in diesen kleinen Zellen, in diesen Räumen etwa einen vernünftigen menschlichen Gedanken und eine Handlung gibt oder es nur voll Schafskot ist. Das Letztere ist als Dünger auch nicht schlecht, aber es ist eine Sünde, wenn ein Mensch, den sein Vater zur Schule geschickt hat, dem er alle Bedingungen gegeben hat, ein vernünftiges Wesen zu werden, draußen bleibt und blökt. Und wenn die Engel herunterkommen und danach wieder in Den Himmel steigen, um einen Bericht über die Menschen zu erstatten, was sollen sie denn da oben sagen? – "Unten blöken sie alle immer noch". Dieses Blöken wird irgendwann zu Sprechen.
Und nun, wenn Christus jetzt dieses Schaf vernünftig werden läßt, weil es die entsprechenden Bedingungen dazu gibt, stellt Er diese beiden Prinzipien nebeneinander und sagt, daß man die Wolle des Schafes fertigspinnen und daraus einen Stoff machen kann. Ein Schaf scheren kann ein jeder, aber seine Wolle muß man richtig bearbeiten können. Auch das Schafsfell aber, wenn man es nicht rechtzeitig schert, wird abfallen wie die Blätter der Bäume. Die Wolle muß man einsammeln, verarbeiten und daraus einen Stoff weben – unsere Gedanken und Wünsche sollen sich in Handlungen verwandeln und dann können die nackten Menschen angekleidet werden. Wann ist der Mensch eigentlich im Paradies nackt geworden? – Als er verdummte, als er ein Schaf wurde und zu blöken begann, als seine Hand lahm wurde, seine Frau der Versuchung nachgab und das keusche Leben verließ wegen des äußeren Glanzes, und er selbst diesem Beispiel folgte, so daß sie beide sich einem ausschweifenden Leben hingaben. Dann verdummten sie und verloren ihre Sehkraft, ihr rechtes Urteilsvermögen. Christus sagt jetzt: "Ich bin auf die Erde gekommen gerade dieses Menschen wegen, der nach Gottes Bild und Gleichnis geschaffen wurde, um seine Hände loszubinden, so daß er das Gesetz Gottes erfüllen kann. Ihr, die bis jetzt die Schweine auf dieser Welt geweidet habt, während man euch auch die Eicheln verboten hat, was erwartet ihr noch? – Etwa das Lied der Sänger: "Gott, gib Frieden der Seele deines Dieners?" Soll Gott eurer Seele unter den Eicheln dieser Welt etwa Frieden geben? Nein, nehmt euren Stock, euren Beutel mit und los zum väterlichen Haus, zur väterlichen Schule, die Der Herr für euch vorbereitet hat. Christus rät euch, die Fibel und das Lesebuch beiseite zu legen und die Grammatik in die Hand zu nehmen; das ist eine Wissenschaft, die Nutzen bringt; sie lehrt uns, wie wir richtig sprechen und lesen sollen. Von allen wird ein richtiges Denken, ein richtiges Urteilsvermögen, ein richtiges Fühlen und ein richtiges Handeln erfordert. Daß unser Leben schön ist sowohl in seiner Form, als auch in seinem Inhalt und – wie es bereits vor zweitausend Jahren gesagt wurde: "Seid vollkommen wie Euer Himmlischer Vater vollkommen ist" – das ist der Spruch des neuen Lebens, nach dem wir streben sollen. Das ist ein Göttliches Gesetz, aber von uns wird erwartet, daß wir uns etwas mehr Mühe geben. Und ich rühme die weltlichen Menschen in einer Hinsicht: Schaut nun mal zu, wie eine Dame sich fertig macht, bevor sie zu einem bunten Abend oder Ball oder ins Theater geht – wieviel Mühe sie sich nur dabei im Zimmer gibt, in dem sie sich umzieht. Eine ganze Stunde lang dreht sie sich nach allen Seiten, studiert ihr Gesicht, ihre Nase, ihre Hände durch, bis sie sich davon überzeugt hat, daß alles in Ordnung ist. Ich finde das lobenswert. Aber ihr Christen, wieviele Male habt ihr vor eurem Spiegel gesessen, um euch euren Charakter anzusehen und ihn zu bessern? Ihr sagt: "Ich kann auch ohne einen Spiegel auskommen". Ihr braucht einen Spiegel. Nehmt euch ein Beispiel an dieser Weltdame. Ich bin für den Spiegel, aber für den Spiegel des Herzens und des Verstandes: wenn ihr euch in diesem Spiegel anseht, soll alles in Ordnung sein. Nur dann sollt ihr vor Gott erscheinen. Ihr dürft nicht denken, daß Gott euch so, wie ihr jetzt seid, aufnimmt, nein. Die Menschen von Welt verstehen dieses viel besser. Deswegen sagt auch Christus: "Die Söhne dieses Jahrhunderts sind klüger". Und nicht nur, daß wir sie nicht verurteilen dürfen, sondern wir sollen an ihrem guten Beispiel auch lernen. Ich empfehle die weltlichen Menschen in jeder Hinsicht, weil sie ein ausgezeichnetes Beispiel für Auffassung, Tatkraft sowie Vorbereitung geben. Wenn wir an ihnen ein Beispiel nehmen würden, um es in die geistige Welt anzuwenden, würden wir viel höher stehen als jetzt. Ihr sagt dazu: "Ihre Angelegenheiten sind dumm, wir brauchen dieses und jenes nicht". Na, was braucht ihr – etwa Den Himmel? Aber Der Himmel will keine dummen Menschen haben. Wenn ihr nicht schafft, ein Haus aus Stein aufzubauen, wie werdet ihr dann einen Charakter aufbauen können, der sehr viel Mühe abverlangt. Du hast keine tausend Lewa, um ein Haus aufzubauen, und du willst einen großartigen Charakter aufbauen! Und wenn Gott sagt, ihr sollt nicht so sehr die weltlichen Dinge beachten, so meint Er folgendes: " Wenn ihr ein, zwei oder drei Häuser aufgebaut habt, sagt Er: "Es ist schon genug, du bist ein Fachmann, nun will ich von dir, daß du dein Herzenshaus aufbaust. Und wenn du gelernt hast, wie du dein Herzenshaus aufbauen kannst, baue dann dein Verstandeshaus auf".
Das gleiche Gesetz wirkt analog von unten nach oben. Deshalb sagt Christus: "Wieviel höher steht ein Mensch, der denkt, der seinen Charakter entwickeln kann, als ein Schaf, das stets weidet und blökt!" Die moderne Welt verlangt: "Brot, Brot!" – dieser Ruf ist von überall her zu hören. Schafe brauchen wir auch allerdings, weil sie uns Wolle geben: aber wenn die ganze Erde voll mit Schafen besiedelt wäre, würde es keine Harmonie mehr geben. Was ich darunter verstehe, ist, daß das vernünftige Element in uns die Überhand über das unvernünftige gewinnen muß, daß das Tierische durch das Menschliche zu ersetzen ist. Überall ist beim Streit zu hören: "Er ist ein Tier". Es ist nicht schlimm, wenn man ein Tier ist; aber es gibt etwas, was höher steht als das Tier. Für das Schaf ist es normal, ein Tier zu sein, nicht aber für den Menschen. Auch in der Heiligen Schrift steht: "lebendige Seele" und "lebensschaffender Geist", Der die Menschheit und deren berufene Schüler, damit sie Christus unterstützen, lehren, veredeln und retten will: Er will, daß Ihm kluge Menschen helfen – Menschen, die es gut verstehen, nach allen Regeln der Göttlichen Wissenschaft zu bauen, Menschen, in deren Verstand das Wohl des "Gottesreiches" im Vordergrund steht. Jetzt werden solche Leute gebraucht, die sich weder verführen, noch irreführen lassen von dem äußeren Schein der Dinge. Ich nehme an, daß einige Priester ihrem Dienst nicht so nachgehen, wie es sich gehört, aber ich verurteile sie nicht – es ist ihre Vorstellung davon; ich für mein Teil muß dem nachgehen, was ich zu tun habe. Wenn man sich nicht von der Stelle rührt und die anderen stets verurteilt, die eigenen Verpflichtungen aber vernachlässigt, was nützt das alles? Nichts, gar nichts. Es wird an jenen Fall erinnern, bei dem ein Lehrer seine Schüler bestrafen wollte, weil er ihnen die Lektion vorher nicht erteilt hatte. Wollen wir das Stadium des vernünftigen Daseins betreten, das als Ziel die Verbesserung aller Völker, der ganzen Menschheit hat. Wir müssen dabei die menschliche Seele, das Zuhause, die Gesellschaft, das Volk, die Menschheit berücksichtigen – all diese Kategorien sind von Christus beachtet worden; dies alles bildet ein Ganzes. Das Zuhause ist ein größeres Individuum; die Gesellschaft ist größer als das Zuhause; das Volk ist noch größer als die Gesellschaft, und die Menschheit ist größer als das Volk. Deswegen gehen wir von den kleinen Dingen aus und streben nach den größeren, das heißt – von der tierischen zu der vernünftigen Erscheinung. Christus, Der den Gedanken "Wieviel höher ist ein Mensch als das Schaf" euch präsentiert, meint, daß der Mensch viel mehr fähiger ist, zu bauen und sein Leben aufzubauen.
Das Erste, das ihr zu tun habt, nachdem ihr nach Hause zurückgeht, ist, den Besessenen zu heilen zu beginnen; das Zweite, das ihr zu tun habt, ist, eurem Blinden die Augen zu öffnen; das Dritte – eurem Tauben die Ohren aufzumachen; das Vierte – demjenigen die Hand loszubinden, dem sie gebunden ist – euren Verstand zu betätigen. Das ist eine ernsthafte Aufgabe. Ihr habt die Regeln, jetzt müßt ihr die Lösung schaffen. Selbsverständlich können ein Tag, zwei oder drei Tage vergehen, aber wenn ihr darauf beharrt, werdet ihr sie lösen. Und während ihr an der Lösung arbeitet, werden die Ergebnisse zeigen, wie ihr zu arbeiten habt. Wenn der Lehrer immer wieder die Aufgabe für den Schüler lösen würde, würde dieser nie rechnen lernen. Der Lehrer stellt eine, dann zwei, drei, vier, fünf Aufgaben und sagt: "Das nächste Mal werdet ihr mir diese Aufgaben gelöst mitbringen". Und die ganze Welt um uns herum besteht nur aus Aufgaben, die uns Gott zu lösen aufgegeben hat. In dem Kapitel, das ich vorgelesen habe, sind viele Aufgaben von Christus gestellt worden. Ich habe hier nur auf eine von ihnen eingehend hingewiesen, die anderen Aufgaben sind viel schwieriger – sie gehen nach dem komplizierten Dreisatzverfahren auf. Jetzt gebe ich euch nur die Aufgabe mit den vier Grundrechnungsarten: Addieren, Subtrahieren, Multiplizieren und Dividieren auf. Wenn ihr beim Dreisatz seid, werdet ihr es nicht leicht haben, da es eine schwierige Sache ist, aber mit Hilfe der vier Grundrechnungsarten könnt ihr die Aufgabe sehr gut lösen. Manche von euch sagen: "Wir können nicht addieren". Ihr werdet es lernen. Zwei Äpfel und noch zwei dazu machen vier Äpfel. So wißt ihr nicht, mit wem ihr zusammenkommen sollt – der Mann weiß nicht, mit was für einer Frau er zusammenkommen sollte. Danach kommt das Subtrahieren: der Mann heiratet zunächst eine Frau, dann gefällt sie ihm nicht, er will sie verlassen – er weiß nicht, wie er subtrahieren soll. Es sei jetzt nicht die passende Zeit zu subtrahieren. Es werden ihm eine Menge Kinder geboren, er will sie wegjagen, weil sie nicht klug genug seien. Er soll sie lehren. Was für ein großes Gesetz steckt in diesen vier Regeln: zu wissen, wie man addiert, subtrahiert usw.! Es ist eine tiefgreifende Wissenschaft, mit der die Menschen seit Tausenden von Jahren konfrontiert sind. Wir kennen uns nur in der mechanischen Seite des Rechnens aus. Wenn wir anfangen, uns mit den Heiligen, mit den Engeln zu versammeln, wenn wir mit Gott eins werden, dann werden wir das wahre Addieren lernen. Ein Groschen und noch ein Groschen machen zusammen zwei Groschen; was ist aber, wenn es beim Addieren sowohl ein Plus wie auch ein Minus gibt? Einer sagt: "Ich kann addieren". Aber wie – mit plus oder mit minus? "Ich habe plus zweitausend Lewa", sagt dieser. Oh, du bist dann ein reicher Mann, du kannst über Geld verfügen und dazu noch anderen Menschen was Gutes tun. Das ist das Christi Grundgesetz. Dieses Schaf werdet ihr hinzutun und dann es abziehen; es wird euer Schlüssel zu den Einzelelementen sein. Wenn ihr einen Schäfer besucht, wird er euch das Grundgesetz des Addierens und des Subtrahierens beibringen: wenn er Milch verkäst, wird er einen Teil davon addieren, einen anderen dagegen abziehen. Weiß er, wie man das Überflüssige abzieht, wird er gewinnen, weiß er es nicht, wird er verlieren. Auch ihr, wenn ihr wißt, eure Milch zu verkäsen – die eine Milch zu addieren und die andere abzuziehen – auch ihr werdet sagen, wenn die Zeit zum Bilanzziehen gekommen ist: "Jetzt haben wir einen Gewinn". Habt ihr einen Verlust, so zeugt dieses davon, daß ihr jenes vernünftige Prinzip Christi nicht angewendet habt, daß ihr selbst Schafe seid, die nur geweidet und geblöckt haben während der ganzen Zeit. Das Schaf, sobald es einen Wolf gesehen hat, stampft mit dem Fuß und will ihm sagen: "Du sollst hier verschwinden, weißt du nicht, daß ich weide?" Er aber greift zu und frißt es auf. So klug ist es! Auch ihr, wenn ihr den Teufel erblickt, stampft nicht ihm mit dem Fuß entgegen – er erschrickt nicht. Er erschrickt nur vor Menschen, die einen Verstand und einen Willen haben und deren Hände losgebunden sind. Deswegen ist Christus gekommen, um die Hand des Menschen loszubinden und ihm Kraft zu geben, damit dieser gegen den Wolf – gegen den Teufel, mitkämpfen kann. Die Wölfe sind auch in ihrem Recht, durch die Welt zu ziehen, von ihren Zähnen Gebrauch zu machen; wir haben aber gleichfalls das Recht, gegen sie unseren Verstand und unseren Willen einzusetzen. Sie haben das Recht, zu fressen, wir aber haben das Recht, ihnen die Zähne zu ziehen; sie haben das Recht, von ihren Krallen Gebrauch zu machen, wir aber haben auch das Recht, diese auszuschneiden. Zieht die Zähne dieses Teufels und reißt ihm seine Krallen aus. Und habt ihr aus dem Teufel ein Schaf gemacht, das euch mit Wolle und Milch versorgt, fürchtet euch nicht, in einem nächsten Schritt könnt ihr aus ihm einen Ochsen machen, ihm einen Halfter einlegen und ihn ackern lassen. Und so sagte auch Christus in einem anderen Fall, daß der böse Geist, der den Menschen verlasse, sehr unruhig sei, und käme er wieder zurück, sei er um siebenmal schlechter als zuvor. All die dummen Leute werden auch siebenmal schlechter. Deshalb sagt auch Christus: "Ich bin gekommen, um den vernünftigen Menschen zu erlösen", also nicht der Tiere, sondern des Menschen wegen. Gerade diese tiefgreifende Erlösung der christlichen Lehre müssen wir in unserem Leben anwenden, durch unseren Verstand und durch unser Herz ein Vorbild sein; unser Zuhause muß ein idealer Garten sein – das alles ist die Aufgabe unseres Lebens.
Deshalb, fangt an zu arbeiten und ein jeder soll in seinem Inneren arbeiten. Wenn der Bulgare von einem Freund besucht wird, nimmt er ihn bei der Hand und zeigt ihm, was er alles in seinem Haushalt hat, wie er alles eingerichtet hat und sein Freund lobt ihn und freut sich. Eines Tages kommt Gott vom Himmel herunter – wo werdet ihr Ihn umherführen? Eure Scheune, euer Speicher sind verfallen, die Kirche und die Schule genauso. Wenn Er jedes Ding hier in bester Ordnung findet, wird Er sagen: "Hier ist ein Mensch, der vernünftig gearbeitet hat". Das ist der Sinn, den Christus euch Menschen heute früh offenbart – "Wieviel mehr ist ein Mensch als ein Schaf".
(Gehalten am 28. September 1914 in Sofia)
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