„Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönend Erz oder eine klingende Schelle." (Kor I, 13 : 1)
Das Wort "Liebe" ist im Munde der Menschen sehr alltäglich geworden; so alltäglich, daß es schon fast keinen Sinn mehr hat. Wenn ein Wort seinen Sinn verliert, wird es entsalzen, und all das, was entsalzt ist, hat keine Kraft mehr, und infolge dessen verschwindet es. Wenn in der organischen Welt eine gewisse Nahrung dem Magen zugeführt wird, die nicht richtig auf ihn wirken kann, entsteht ein Zustand, den die Ärzte "Verdauungsbeschwerden" nennen, und der dem Körper selbst einen gewissen Verdruß bereitet. Dieses Gesetz bezieht sich nicht nur auf die materielle Welt, sondern auch auf das vernünftige Leben: Wenn uns ein Gedanke vorgestellt wird, der auf unser Gehirn nicht einwirken kann, und der von unsem Verstand nicht erfaßt werden kann, entsteht in uns derselbe Zustand. Das Gleiche vollzieht sich auch im Herzen des Menschen: Wenn ein Wunsch ins Herz gelangt und dort nicht wirken kann, nimmt das Herz ihn nicht wahr und etwas Ähnliches spielt sich auch da ab.
Das menschliche Wesen nähert sich den Dingen auf eine dreifache Weise. Nehmt eine Frucht, sagen wir einen Apfel, rot, glänzend, rundum schön; zuerst werden eure Augen gelockt: Ihr dreht und wendet ihn umher und bildet euch mit Hilfe der Augen, seiner Form und Farbe nach, einen gewissen Begriff von ihm. Nachdem eure Augen ihre Arbeit getan haben, haltet ihr den Apfel näher an eure Nase, um zu erfahren, ob er einen Duft ausströmt, und euer Geruchssinn wird die Qualität dieses Duftes feststellen. Wenn er seine Tätigkeit abgeschlossen hat, werden Zunge und Zähne wünschen, den Apfel zu probieren, und die letzte Operation an dem armen Apfel durchführen - sie werden sein schönes Kleid zerstören, von dem schon bald nichts mehr übrigbleibt. Doch die Zunge wird sagen: „Dieser Apfel schmeckt gut!“ So offenbart sich auch die Liebe im Leben des Menschen in dreifacher Weise. Infolge der Ignoranz von ihren Wechselbeziehungen hat sich im Menschen tiefliegendes Mißverständnis gebildet. Manche meinen, sie sei ein Gefühl, andere - sie sei eine Macht, wieder andere - sie sei eine Illusion usw. Wie der Verstand des Menschen, so auch sein Verständnis; folglich, dementsprechend auch seine Auffassung von der Liebe. Um euch ein Urteil in Bezug auf gewisse Fragen oder aber über einen Menschen zu bilden, müßt ihr sehen, was er spricht und schreibt; um eine Frau zu erkennen, müßt ihr sie besuchen und sehen, wie es um ihr Haus bestellt ist; um einen Koch zu erkennen, müßt ihr in seine Küche gehen und sehen, was und wie er kocht; um einen Soldaten zu erkennen, müßt ihr ihn auf dem Schlachtfeld beobachten; um einen Lehrer zu erkennen, müßt ihr seinem Unterricht beiwohnen; um einen Pfarrer zu erkennen - ihn in der Kirche besuchen usw. Jedes einzelne Ding soll man an seiner angestammten Stelle erproben. Wenn wir zur Bedeutung der Liebe im weiteren Sinne kommen, werdet ihr nicht alle in der Lage sein, meinen Ausführungen zu folgen, deshalb versuche ich, diesen Gedanken so darzustellen, daß er für euch halbwegs verständlich wird. Ich werde ihn deshalb in einer einfacheren Form angehen. Es mag sein, daß ich in einer für euch unverständlichen Sprache spreche, aber es geschieht nicht aus dem Wunsch heraus, unverstanden zu bleiben, sondern darum, weil es Gründe gibt, die bedingen, daß meine Sprache unverständlich werden kann. Wenn ein kleines Kind geboren wird, gibt ihm die Mutter zuerst Milch, danach, wenn es ein bißchen gewachsen ist, bereitet sie ihm flüssige Nahrung zu, dann zerstampft sie das Essen fürs Kind, und ihm seinerseits, das am Anfang Milch säugt und schluckt, ist der status quo sehr angenehm; damit die Mutter ihm aber härteres Essen geben kann, ist es nötig, das dem Kind Zähne wachsen - sonst wird es ihm schlecht im Magen. Aber vor dem Durchbruch der Zähne wird eine gewisse Erscheinung auftreten - das Kind wird krank. Und die Mutter fragt sich besorgt: „Das Kind hat Fieber, was ist, wenn es stirbt? Am besten ich rufe den Arzt!“; sobald die Zähne erschienen sind, geht dieser Zustand vorüber. Im menschlichen Leben, gibt es auch einen solchen Zustand; wenn dem Menschen eine harte Nahrung - die Liebe - gegeben wird, kommt das Leiden zwangsläufig. Also, wenn wir sagen: „Leiden sind notwendig“, verstehen wir darunter, daß es notwendig ist, diese durchzustehen, damit unsere Zähne durchbrechen, damit wir in die Lage versetzt werden, uns von dieser festen Nahrung zu ernähren. Was es mit den Zähnen auf sich hat - ich kann es euch sagen; aber jetzt sage ich euch, daß sobald eure Leiden in der Welt angefangen haben, dies ein Kennzeichen dafür ist, daß eure Zähne anfangen, herauszuwachsen. Wenn ihr diesen Prozeß durchlaufen habt, seid ihr geformt, ihr habt dann 32 Zähne, ihr seid im Alter Christi - ihr seid 32 Jahre alt.
Laßt uns sehen, wie der Apostel Paulus die Liebe aufgefaßt hat. Um die Liebe zu verstehen, müssen wir diesen Begriff mit seinem Gegenteil vergleichen. Wenn man einen Gegenstand beschreiben will, muß man seine Unterscheidungsmerkmale finden; versucht man z.B. ein Pferd, eine Kuh, ein Schaf, einen Wolf usw. zu beschreiben, so müssen die Wesensmerkmale herausgearbeitet werden, durch die sich jedes einzelne dieser Tiere unterscheidet. Bei einer Beschreibung betrachten wir für gewöhnlich die äußere Seite, aber wir können uns auch den inneren Besonderheiten zuwenden und die dort vorhandenen Unterschiede betonen. In der gegenwärtigen Welt wollen alle Menschen vielsagende Redner sein, weil jeder weiß, daß ein Redner, Kraft seines Wortes, auf die Menge Einfluß nehmen kann. Der Apostel Paulus sagt hierzu: „Wenn ich die größte Beredsamkeit besäße, die die menschliche Sprache zuläßt, mehr noch, wenn ich die Beredsamkeit eines Engels hätte, und die Liebe nicht verstünde, würde mir all dies nichts nützen!“ Unser Verhältnis zu ihr wäre das gleiche, wie das, wenn wir einen Apfel nur vom außen betrachteten. Nun fragt sich jeder in Bulgarien, was für ein Schicksal ihn und sein Land erwartet. Wenn ihr Vorhersagen machen könntet, würden alle zu euch laufen, um nach Diesem und Jenem zu fragen, und man wird euch in den Himmel heben, wenn eure Voraussagungen zutreffen. Doch der Apostel Paulus sagt: „Selbst wenn ich Vorhersagen machen könnte, alle Geheimnisse wüßte und alles Wissen besäße, wenn ich Glauben hätte, mit dem ich Berge versetzen könnte, aber keine Liebe, wäre ich ein Nichts!“ Nicht die gegenwärtigen Geschehnisse machen das Leben aus. Ihr könntet Berge und Städte versetzen, von mir aus auch ganze Reiche, aber dies alles wäre nur die Oberfläche des Lebens. Und weiter sagt Paulus: „Selbst wenn ich meinen ganzen Besitz zur Speisung der Armen verschenkte, und meinen Körper der Verbrennung übergäbe, aber keine Liebe besäße, nützte mir das nichts!“
Also, selbst wenn wir alle Begabungen und Tätigkeiten, die der Apostel Paulus aufzählt, haben bzw. ausführen, uns aber die Liebe fehlt, fehlt uns das Wichtigste. Nicht, daß diese Dinge wertlos seien, aber sie sind halt nur die äußere Seite des Menschen, sie berühren nicht seine Seele. Und weiter fängt er an, die positiven Eigenschaften der Liebe zu beschreiben. Ihre erste Eigenschaft ist die Geduld. Wißt ihr von der Bedeutung der Geduld? Sie ist der Grundpfeiler des Lebens! Habt ihr Geduld, könnt ihr alles erreichen; habt ihr sie nicht, werdet ihr es im Leben zu nichts bringen. Der geduldige Mensch ist wie ein Schiff, das einen Anker besitzt; der Ungeduldige gleicht einem Schiff ohne Steuerrad. Eben das ist das Unterscheidungsmerkmal der Liebe. Darum sagt man: „Gott ist Liebe“, weil Er geduldig ist. Die Geduld ist ein Zeichen der großen Liebe, die Gott zu uns hegt. Wenn es diese Liebe nicht gäbe, hätte Er uns schon lange nicht mehr geduldet; Er würde unsere Dummheit und Kleinlichkeit nicht länger dulden und uns kurzerhand von der Erde fegen. Also, mit was für Arbeit wir uns auch beschäftigen, was für Güter wir auch immer im Leben erlangen wollen, Geduld ist die Voraussetzung dafür. Viele sagen: „Geduld ist eine Eigenschaft von Ochsen!“ Nein, Geduld ist eine große und wichtige Eigenschaft und im Charakter des Menschen gibt es keine edlere. Die Geduld wird nicht zusammen mit dem Menschen geboren, sie muß erlernt werden. Die Liebe kann als Geschenk zu uns kommen, aber die Geduld will erarbeitet sein. Das Leiden ist ein Prozeß, durch den man Geduld erlangen kann; dies ist die Methode, durch die man lernt, sich zu gedulden.
Um zu dulden, müssen wir mit drei Grundeigenschaften angesäuert sein: mit Weisheit, Wahrheit und Tugend. Warum duldet die Mutter gewisse Irrtümer ihres Kindes und sieht dennoch zu, es aufzuziehen? Sie sieht voraus, daß es, obwohl es Schwächen besitzt, in der Zukunft ein großer Mensch wird, ein Mensch, der seinem Haus und seiner Heimat nützlich sein wird. Eben dies voraussehend, sagt sich die Mutter: „Für dieses Kind werde ich mich allen Beschwerlichkeiten aussetzen und seine Schwächen dulden!“ Sie tut gut daran. Der geduldige Mensch ist klug und vorausschauend. Nehmt eine Magd; wenn sie nicht verheiratet ist, hält sie ihre Hände sauber, will sie sogar nicht mit Wasser anfeuchten, besprüht sie mit Duftessenzen; aber wenn sie sich verheiratet, macht es ihr nichts aus, ihre Hände mit dem Parfüm des Kindes zu beschmieren, es ist ihr sogar angenehm. Was findet sie an diesem Kind? Was verbindet sie mit ihm? Wenn man es wiegt, werden lediglich ein paar Kilo rauskommen. In ihm gibt es eine göttliche Seele, die die Liebe der Mutter so sehr anzieht, daß sie durch ihre Geduld bereit ist, ihm in allem behilflich zu sein und es auf jede mögliche Weise zu pflegen. Wenn sein Wohlergehen vom Mann abhinge, könnte davon keine Rede sein: er würde es wegwerfen und sagen: „Diese Arbeit ist nichts für mich!“ Also, wir brauchen unbedingt Liebe, um jede einzelne Arbeit dieser Welt tun zu können - die Liebe im Herzen ist eine große Triebkraft für die, die sie besitzen.
Ich spreche über die Liebe im weitesten Sinne; ich sagte nichts über ihr Wesen. Manche Leute halten die Liebe für eine Empfindung, für eine gute Laune. Das ist keine Liebe, weil, wenn man einen halben Liter Wein trinkt, auch bei guter Laune ist; bei gewissen Schmerzen laßt ihr euch Massagen machen und fühlt euch gut danach; aber dies ist nicht das Wohlgefühl, das einem die Liebe verschafft. Wenn euch jemand liebt, wird er euch manchmal auch Schmerzen bereiten: Die Liebe verursacht gleichzeitig Schmerzen und Freude - dies ist ihre Eigenschaft. Sie ist eine zweischneidige Kraft: Sie liebkost jeden, straft ihn aber auch. Auf welche Weise straft sie euch? Indem sie euch verläßt; ihr werdet traurig und sagt: „Ich bin unglücklich!“ Warum seid ihr unglücklich? Wegen der Abwesenheit der Liebe! Ich bin glücklich - warum? Weil die Liebe in mir ist. Aber die Liebe heißt noch etwas - die Geduld ist der Weg, auf dem die Liebe ins Herz gelangt. Die Geduld bedingt die Erscheinung der Liebe. Ohne Geduld kann die Liebe uns nicht erreichen. Sie ist die erste wichtigste Voraussetzung, die Vorbotin der Liebe. Wenn ihr die Geduld in ihrem weitesten Sinne erlernt habt, werdet ihr schon bald feststellen, daß sie eine große Macht in den Händen vom kühnen, entschlossenen Menschen ist: ein solcher Mensch hat eine große Zukunft vor sich.
Das Wort "Wohlgesonnenheit" ist die positive, aktive Seite der Liebe, während die Geduld ihre passive, erhaltende Seite ist, an der ihr eine gewisse Last zu tragen habt; Wohlgesonnenheit ist die Liebe, die bereit ist, aufzubauen, jedem Beliebigen einen Dienst zu erweisen, die Bereitschaft - wenn ihr einen Bettler trefft, und er will was von euch - es ihm zu geben; ein Freund von euch mit edlen Charakterzügen will einen Gefallen von euch, ihr solltet ihm ihn erweisen, obwohl er nicht eure Meinung und euren Glauben teilt. Wir wollen, daß die Leute uns lieben, und höflich zu uns sind, aber oft übertreten wir diese Regel, und das nicht nur, weil wir keine Geduld haben, sondern auch, weil wir die ihnen zustehende Güte verwehren. Manche sagen, daß sie einen Menschen lieben und reden doch schlechte Sachen über ihn. Eines Tages wird das Echo dieses Geredes widerhallen, weil das, was man sät, muß man auch irgendwann auch ernten; wenn man einen Apfelbaum angepflanzt hat, wird man Äpfel auflesen können; wenn man Disteln einpflanzt, kann man nur Dornen pflücken. Ich rede nicht darüber, was für ein Verhältnis ich zu euch haben soll, sondern versuche zu bestimmen, was für ein Verhältnis man zu Gott, zur Liebe, d.h. seinem Nächsten gegenüber, haben soll. Wie ich meine Taten verstehe, ist nicht von allzugroßer Bedeutung, für mich ist es wichtig, ob ich bereit bin, jenes grundlegende Gesetz zu erfüllen, das die Liebe mir auferlegt hat - ob ich geduldig sein kann, wie sie es will, ob ich von Güte erfüllt sein kann, wie sie es wünscht. Dies ist nötig für jeden Einzelnen, für die ganze Welt, für jene, die wirklich ein Herz haben. Diejenigen, die es nicht verstehen, werde ich in Ruhe lassen. Manche fragen: „Was wird aus den schlechten, sündigen Menschen?“ Das, was aus den Steinen, Ameisen und den kleinen Käferchen wird! Ihr denkt, daß es den Ameisen schlechter geht als euch? Sie sind tausend Mal glücklicher als ihr: Sie empfinden nicht dieselben Leiden, die ihr empfindet. Wir sollen nur diese Menschen bedauern, in denen das göttliche Bewußtsein erwacht ist, die die Liebe, das Gute und das Böse verstehen, die leiden und sich quälen. Manche Leute sagen: „Meine Sachen laufen nicht, - ich bin ein unglücklicher Mensch!“ Dem antworte ich: „Du bist unglücklich, weil die Liebe dich nicht besucht hat!“ - „Und warum kommt sie nicht?“ - „Weil du ungeduldig bist!“ - „Aber ich bemühe mich, geduldig zu sein!“ - „Gut, du hast angefangen!“ - „Aber mir geht es immer noch nicht besser!“ - „Weil du nicht wohlgesonnen bist!“ Ihr werdet sagen: „Diese Dinge sind sehr schön und leicht zu erfüllen, wir werden es tun!“; doch ihr könnt sie nicht voll erfüllen. Ich sage zu euch als Arzt: „Ihr alle seid krank!“ Ich habe noch keinen, im wahrsten Sinne des Wortes gesunden Menschen getroffen; nur die Heiligen und die Engel, die den Himmel bewohnen, sind gänzlich gesund; die Menschen kränkeln, wenn auch nicht alle im gleichen Grade. Wenn ein Arzt in euer Haus kommt, wird er euch sagen: „Euer Haus ist nicht hygienisch, weil es nach Norden ausgerichtet ist; verlaßt diese Räumlichkeiten und zieht in ein Zimmer mit Südlage um; haltet die Fenster offen, damit frische Luft und Licht reinkommen; ihr sollt öfters das Bettzeug wechseln; ihr sollt auf die Ernährung achten usw!“ Und die Liebe sagt dasselbe: „Euer Zimmer ist nach Norden ausgerichtet, es ist unhygienisch, bewohnt besser ein Südzimmer, damit die Sonne euch wärmen kann!“, d.h., sie will euch sagen: „Ihr sollt geduldig und gutherzig sein!“ Sie sagt: „Dies sind meine Hände, mit denen ich ununterbrochen arbeite - es sind die Hände der Liebe!“ Wißt ihr, wieviel diese zwei Hände wert sind? Sie sind unschätzbare Reichtümer! Habt ihr diese Hände, seid ihr imstande, alles zu tun. Ich wiederhole, ihr sollt unbedingt Geduld und Wohlgesonnenheit besitzen, damit eure geistigen Hände wachsen können. Gebt ihr diese zwei Eigenschaften auf, können eure äußeren Körperteile keine Wirkung entfalten, auch die inneren können sich nicht entwickeln und die Tugenden sich nicht offenbaren. Warum sollt ihr tugendhaft sein? Weil die Tugenden euch alle notwendigen Materialien zur Erbauung eures Hauses liefern, sie verschaffen euch all jene Säfte, die für euer Wachstum nötig sind. Die Tugend ist keine Abstraktion, sondern etwas Wirkliches, das zu bauen imstande ist.
Deswegen sollen jene von euch, die mich verstehen können, begreifen, welche Tragweite das Wort "Geduld" besitzt. Ich meine nicht jene Geduld, die es erlaubt, Beleidigungen einzustecken; das ist noch keine Geduld; das Geheimnis der Geduld besteht darin, wenn ihr beleidigt wurdet, die gute Seite der Beleidigung zu finden und sie zu nutzen. Die Beleidigung ist eine sehr harte Nuß, die euch da jemand gegeben hat; ihr sollt sie knacken, den Kern rausnehmen und essen. Wenn ihr es schafft, euch auf diese Weise zu ernähren, werdet ihr völlig gesund. Wenn die Leute über euch schlechte Sachen reden, wenn sie euch schmähen, geben sie euch eine Nahrung und wenn ihr dieses Lebensmittel zu gebrauchen versteht, werdet ihr Zufriedenheit erlangen. Die Leute bewerfen euch mit großen Steinen; zerbrecht sie, weil es in ihnen Reichtümer gibt, die ihr dazu benutzen könnt, reich zu werden. Wenn ihr nach Hause geht, sollt ihr nachdenken und zu Gott dafür beten, die Geduld verstehen zu können. Bis jetzt beschäftigen sich viele Menschen mit Dummheiten, selbst viele Christen wollen groß, berühmt sein, viele Kenntnisse besitzen. Gut, die Kenntnisse kommen von selbst, wenn ihr sie empfangen und nutzen könnt; sie können eine Kraft sein, die euch und euren Nächsten zugute kommt, wenn ihr die Kenntnisse gebraucht, wie es notwendig ist; aber sie können auch zu Ranzen auf dem Rücken des Menschen werden.
Die Liebe beneidet nicht. Um in Erfahrung zu bringen, ob euch die echte Liebe besucht hat, beobachtet euch, ob ihr jemanden beneidet oder nicht. Wenn ihr beneidet, ist es keine Liebe. Die Liebe muß für immer und ewig in unsere Taten einfließen: Sie ist in diesem Leben genauso nötig wie im nächsten und so weiter, und je höher wir uns erheben, desto tiefer wird der Sinn, den wir in ihr entdecken. Wir sollten von nun an diesen Weg gehen: Es gibt keinen anderen Weg, der zum Himmel führt. Ihr sagt: „Dieser Weg ist lang und beschwerlich, geht es nicht auch ohne ihn?“ Nein! Ohne ihn können wir alle möglichen Länder besuchen, nicht aber das Reich Gottes. Die Liebe beneidet nicht, sie vergilt Unrecht nicht mit Unrecht, Böses nicht mit Bösem, sie übersteht alles. Natürlich sage ich nicht, daß Neid und Stolz nie mehr euer Herz besuchen werden; manchmal kommen sie wie Gäste vorbei, aber daraus wird man uns keinen Strick drehen können; wesentlich ist, keine Freundschaft mit ihnen zu schließen. Aber manchmal fassen wir den Neid bei der Hand und sagen zu den Leuten: „Jener Mensch ist schlecht, ihr solltet euch besser vor ihm hüten!“, und machen dadurch das Leben dieses Menschen schwer und unglücklich. Wie ihr seht, ist der Neid nichts Abstraktes, er repräsentiert die Wesen, die negative Eigenschaften angenommen haben; es gibt sogar Menschen, die der fleischgewordene Neid sind.
Erst nachdem wir uns diese zwei Eigenschaften - Geduld und Güte - angeeignet haben, werden wir unsere eigene Lebensgeschichte kennenlernen, wir werden erfahren, warum wir auf die Welt gekommen sind. Noch einmal werde ich das Beispiel vom Weizenkorn anführen, weil es auf der Welt keine mustergültigere Frucht gibt, als eben das Weizenkorn: Wenn ihr den Prozeß der Geduld erlernen wollt, sollt ihr die Geduld des Weizenkornes betrachten. Ohne Geduld werdet ihr viele Enttäuschungen erleben. Viele Menschen werden euch nicht trauen. Ihr werdet sagen: „Mir folgen die Leute nicht!“ Warum sollten sie euch auch folgen? Die Menschen sind nicht dazu geschaffen worden, um euer Gefolge zu sein. Sie werden sich eure Ansichten anhören, aber nie werden sie euch folgen. Ihr fragt oft: „Wem folgt ihr?“; Menschen könnt ihr in der Tat folgen, aber manchmal könnt ihr auch betrogen werden. Folgt ihr dagegen nur Gott, könnt ihr niemals betrogen werden. Es gibt nur einen Weg und Jesus Christus nennt ihn: „Ich bin der Weg!“ Wenn dir die Leute nicht folgen, bedeutet das, daß du nicht auf dem richtigen Weg bist. Irgendjemand könnte sagen: „Das glaube ich nicht!“, und einen anderen Weg beschreiten; aber eines Tages wird ihm die Einsicht kommen, daß er sich geirrt hat; das Leben wird es ihm schon sagen, weil es eine große Prüfung ist. Ihr sagt: „Überzeuge mich, und ich werde dir glauben“. - „Ich will dich nicht überzeugen. Ich sage dir, daß dich dieses Brot, das ich dir gebe, sättigen wird!“ - „Sag mir doch, aus welchen Stoffen es besteht, mit was für Wasser es geknetet ist!“ - „Ich habe für sowas keine Zeit. Willst du nun das Brot essen?“ - „Nein, will ich nicht!“ Ich tue es zurück in den Sack und reise ab. Ihr fragt auch: „Was ist die Liebe, aus welchen Stoffen besteht sie?“ Wenn du zu viel fragst, werde ich sie in den Sack zurücktun und meines Weges gehen; ich werde dir sagen: „Ich habe keine Zeit, dir solche Fragen zu beantworten!“ Das Leben ist etwas Positives - ihr müßt ausprobieren, eßt euch an diesem Brot satt und dann könnt ihr entscheiden. Die Liebe ist die Lebensnahrung: Ohne sie kann man nicht leben und etwas in der Welt erreichen. Manche Menschen haben einen zu dunklen Begriff von der Liebe, sei es in bezug auf das Geschäftsleben, sei es in bezug auf das Lernen, sei es in bezug auf den Krieg. Die Liebe sollte uns überall begleiten; sie ist eine große Kraft. Diese Kraft, mit der ich dieses Glas hebe, ist auch Liebe. Dieselbe Kraft findet auch in einer Kanone Platz, sie kann eine Granate werfen und eine Unmenge Menschen töten, sie kann sich durch ein Erdbeben offenbaren, sie kann sogar die ganze Erde zerstören, sie kann aber auch eine Welt erschaffen. Es ist eine Frage ihrer Verwendung: nämlich, was man aus einer bestimmten Kraft macht. Die Liebe ist eine Kraft, die durch Regulierung nutzbar gemacht werden kann. Die Menschen sind selbstsüchtig - wenn die Liebe vorbeikommt, wollen sie sie in sich einsperren. Aber wenn wir das tun, wird sie unsere Mauern durchbrechen und nach draußen entschwinden. In einer Wohnung, in der man sie einsperren will, kann sie nicht bleiben. So wird der Tod geboren. Er ist die Zerstörung jedes selbstsüchtigen Gedankens und Wunsches; durch ihn zerstört Gott alle Dächer, unter denen sich böse Geister eingenistet haben. Unser Herz und unser Verstand haben alle Möglichkeiten, die Liebe wahrzunehmen. Sie ist still, ruhig, kann aber gleichzeitig mit ihrem Wirken eine verheerende Kraft entfalten. Wenn wir mit ihr harmonieren, ist die Welt die Seligkeit selbst; Gelingt es uns dieses nicht, gibt es in der Natur keine schrecklichere Kraft als sie. Deswegen sagen die erfahrenen Leute: „Wer sehr liebt, haßt auch sehr!“ Je stärker sie als eine positive Kraft wirken kann, desto stärker ist ihre negative Erscheinung; darum sollen wir mit ihr aufpassen. Wenn wir sie haben, sollen wir nicht auf negative Weise handeln, weil sie sich dann in eine reißende Bestie verwandelt - Krankheit, Leid und Zerstörung können über die ganze Gesellschaft ausgeschüttet werden. Viele sagen, daß Der Herr Liebe ist, und Er als solche nicht strafen kann. Der Herr ist sowohl mild, als auch anspruchsvoll. Wenn Er mit uns unzufrieden ist, sagt Er: „Zurrt ihm Last auf den Rücken!“ Wir fragen: „Was soll das?“ Ohne zu antworten, sagt Er: „Noch ein Gewicht!“ - „Aber ich kann es nicht tragen!?“ - „Noch eins!“ Er drückt uns solange runter, bis wir uns nicht mehr bewegen können. Dann fangen wir an zu sagen: „Mein Herr! Verzeih mir!“ - „Nehmt ihm ein Kilo ab!“, antwortet Der Herr. Wir wiederholen unsere Bitte. - „Nehmt ihm noch ein Kilo ab!“; und je mehr wir beten, desto mehr Gewicht wird von unserem Rücken genommen. Und, nachdem Der Herr wieder die ganze Last von unserem Rücken genommen hat, fragt Er: „Na, hast du jetzt deine Lektion gelernt?“ - „Oh ja, das habe ich!“ - „Wenn du willst, daß Ich dich nicht mehr belaste, mußt du deiner Umwelt gegenüber, allen, die um dich herum sind, wohlgesonnen und geduldig sein, und auch sie werden dir gegenüber wohlgesonnen und geduldig sein; deine kleinen Brüder können irren, du aber sollst Geduld besitzen, so wie ich. An dem Tag, an dem du das Gesetz verletzt, werde ich wieder anfangen, dich zu belasten“. - „Ich kann nicht tragen!“ - „Du wirst tragen!“ Ich habe euch gesagt, wie wir von dieser Last erlöst werden können. Jeder soll von Herzen gern Dem Herrn sagen: „Ich danke dir aus ganzem Herzen für alles, was Du mir gegeben hast!“; schließlich hat Gott jedem einzelnen Menschen Tausende von Gütern gegeben - nur man kann sie nicht benutzen: „Durch Wasser waten und durstig sein“. Viele Geschäftsleute sind unzufrieden. Warum? Weil sie zehntausend Lewa haben und es ihnen nicht genug ist. Wenn man ihnen zwanzigtausend gibt, ist es ihnen wieder nicht genug; man kann ihnen fünfzigtausend, einhunderttausend Lewa geben, sie bleiben unzufrieden. Wißt ihr, wem die moderne Menschheit ähnlich ist? Vielleicht habt ihr die Geschichte von jenem Fischer gelesen, der ein schönes Auge gefunden hatte. Man fragte ihn: „Wieviel willst du für dieses Auge?“ - „Soviel, wie es wiegt!“ - „Wiegt es ab!“ Man stellte 10 Gramm auf die Waagschale, das Auge war unzufrieden, man stellte noch 20 Gramm dazu, das Auge war immer noch unzufrieden, man stellte ein Kilo, einhundert Kilo, eintausend Kilo, zehntausend Kilo, das gesamte Gold, das man hatte - das Auge blieb unzufrieden. „Was sollen wir tun? Es ist nicht zu bezahlen?“, fingen die Leute an, sich zu fragen. Schließlich riefen sie einen alten Weisen und fragten ihn: „Was sollen wir tun?“ - „Es ist ganz leicht“, antwortete der Weise, „nehmt ein bißchen Erde und bestreut damit das Auge!“ Man tat es, und augenblicklich hob sich die Waagschale mit dem Auge nach oben. Eines Tages wird auch Der Herr, uns unzufrieden sehend, sagen: „Streut ihm Erde in die Augen!“, und wir werden mit einem Mal zufrieden. Genauso, wie wir unser Essen salzen und pfeffern, macht es auch Der Herr, wenn wir unzufrieden sind - Er salzt und pfeffert uns ein bißchen, damit wir zufrieden werden. Schließlich besteht das Leben nicht in der Masse dessen, was wir besitzen, sondern in dem, was wir benutzen können, und nicht zuletzt auch darin, Gott für das, was Er uns gegeben hat, dankbar zu sein. Dann wird Er uns noch größere Güter geben.
Also, wir sollen dieses Kapitel vom Apostel auf das praktische Leben anwenden: Wir sollen zu arbeiten anfangen und unseren Brüdern, die um uns herum sind, nützlich sein. Wir erlernen die Sachen des Lebens so, als wären wir in der Schule; wir sind nicht in einem Gewächshaus. Die Kirche ist ein solches großes Gewächshaus; dort kann man alles Mögliche säen; die Schule aber ist ein Garten, wo nur die Sachen gesät werden sollen, die einen Nutzen bringen. In der Schule sollen wir lernen, wie man die guten und nützlichen Sachen bearbeitet und anpflanzt. Bei der Schule besteht eine Bindung zwischen Herz und Verstand; wir sollen nicht nur pflanzen, sondern auch kultivieren und damit jene Grundlagen schaffen, auf denen sich das Leben entwickeln soll.
Ihr sagt: „Warum hat mir Gott nicht größere Fähigkeiten, mehr Kraft, mehr Geld gegeben?“ - Ich sehe viele Gründe dafür. Denn wie oft hat Er euch, eure Ahnen und Urahnen auf den Acker zur Arbeit geschickt, ihr aber habt euch mehr mit dem Geschmack der verbotenen Frucht beschäftigt und immer wieder und wieder neue Versuche in dieser Richtung unternommen, die letztendlich euer ganzes Kapital aufgezehrt haben? Wie oft seid ihr alle auf diesen Acker gegangen und anstatt mit der Arbeit anzufangen, weggerannt, und zu Ihm zurückgekehrt, um Ihn zu bitten, euch etwas Fertiges vorzusetzen. Ihr seid wie Kinder, von denen Vater und Mutter wollen, daß sie was lernen, die es aber partout nicht tun wollen und die Schule schwänzen; viele von euch haben die göttliche Schule geschwänzt. Ihr sagt: „Dabei wird eh’ nichts rauskommen, laßt uns ein sorgenfreies Leben machen!“ Viele Male habt ihr das gesagt und ihr könntet es immer noch sagen; aber es ist nicht besonders klug. Jener, der das göttliche Gesetz erkennen und eine höhere Stufe erreichen will, jener, der sich zur Sphäre der Heiligen erheben will, von der aus er das Leben klar sehen kann, und Der Herr ihm wohlgesonnen ist, sollte unbedingt die göttliche Schule auf Erden mit einer Reifeprüfung beenden. Von diesem Abschluß hängt das Wohl jedes einzelnen ab. Wenn ihr für diese Welt nicht vorbereitet seid, werdet ihr solange Vieh treiben, pflügen, Steine brechen, Wege pflastern, bis ihr begriffen habt, was euch das Vieh, der Pflug, die Steine und die Wege lehren, um euch auf das Reich Christi vorzubereiten. Die unfolgsamen Kinder läßt Der Herr Steine brechen, den Folgsamen gibt Er anspruchsvolle Beschäftigungen. Ihr werdet sagen: „Schwer sind diese Lehrjahre!“ Ja, für den Faulen sind sie schwer, damit bin ich einverstanden; aber für die Fleißigen, Arbeitsamen und Frommen sind in ihnen Reichtümer verborgen. Wißt ihr, warum der Wurm in der Erde wohnt, der Frosch im Wasser, der Vogel in der Luft und der Mensch inmitten dieser? Dies sind vier große Zustände des Lebens. Ihr werdet zu mir sagen: „Das sind Abstraktionen!“ Es sind keine Abstraktionen; es sind vier große Wahrheiten, die euch den schmalen Pfad aufzeigen - den Weg des Gottesgedanken. Er ist schmal - das stimmt; aber dafür gibt es tiefe Ursachen, die ich euch jetzt nicht erklären kann. Sie liegen außerhalb der Grenzen dieser Welt.
Ich kehre wieder zum Wort "Liebe" zurück, das die Leute entsalzt und um seinen wahren Inhalt gebracht haben; sie haben seine Güte, seine Schönheit zertreten und seine klangvolle Harmonie zerstampft, so daß jetzt nur noch schiefe Töne, die unser Ohr ärgern, übriggeblieben sind. Wir sagen uns: „Die Liebe ist eine Illusion im Leben, Traumschlösser, die sich junge und unerfahrene Menschen auf Wolken bauen, unfaßbare Schatten, denen sie im Leben hinterherjagen!“ Ja, sie ist ein Schatten; aber zu diesem Schatten gibt es eine Wirklichkeit, aus der der Saft des Lebens entspringt, an dem die Seele ihren Durst stillt wie ein ermüdeter Wanderer, der sich an einer kalten und klaren Bergquelle Erfrischung verschafft. Was für ein unschätzbarer Reichtum, was für ein Wissen ist in diesem einzigen Wort verborgen! Und wenn die Menschen es richtig aussprechen könnten, so wie es am Anfang der Mund Gottes aussprach, würde die ganze uns umgebende Welt lächeln, und gerührt diesen himmlischen Ruf vernehmen. Sie würde jenen mythischen Zepter der alten Weisen erhalten, dessen Kraft die ganze Welt zum Guten verneigte. Viele werden sagen: „Es wäre wahres Glück, so einen Zepter zu besitzen!“ Wahrlich, es ist das größte Glück, das man auf Erden bekommen kann. Jeder kann es erhalten, wenn er unermüdlich zum Guten strebt.
Nun will ich folgendes sagen: Wenn ihr erst anfangt, im Leben Geduld zu erlernen - immer und alles mit Demut und Freude zu empfangen, werdet ihr die Wahrheit finden. Durch Ungeduld und böse Gedanken schafft ihr nicht nur in eurem Haus eine schwere Atmosphäre. Die Frau ist unzufrieden, weil der Monatslohn ihres Mannes 150 Lewa beträgt; sie will dies und jenes - Wünsche, Wünsche, Wünsche; und wer soll für euch arbeiten, wer wird sie euch verschaffen, wenn nicht ihr selbst? Alle wollen, ohne zu arbeiten, volle Speicher haben; von wem wollt ihr sie nehmen? Güter gewinnt man mit Mühe - mit Arbeit. Darum sollen wir mit dem zufrieden sein, was uns Gott in Seiner großen Weisheit zu geben geruht.
Ich rate euch, nie auf die Ratschläge anderer Leute zu hören. Ihr könnt aus ihnen gewisse Belehrungen ziehen, folgt aber jenem Rat, den Gott in euer Gewissen gespeist hat. Hört, was die Leute sagen und wenn es mit dem, was euch Gott in eurem Gewissen sagt, in Einklang steht, hört auf sie; wenn nicht, folgt niemals dem Rat der anderen. Wenn ihr frei von Fehlern sein wollt, sollt ihr unbedingt Dem Herrn folgen: Jeder von euch, der Dem Herrn nicht folgt, ist kein kluger Mensch, sondern der Sklave seiner äußeren Neigungen, der Sklave seiner Mitmenschen, aller.
Ihr sucht Den Herrn. Wo? Er ist in euch, in eurem Verstande, in eurem Herzen, Er offenbart Sich durch diese zwei Gaben. Hört gut auf euren Verstand und euer Herz; durch sie spricht Er zu euch. Manche predigen euch, daß der Verstand und das Herz verdorbene Früchte seien. Das ist nicht richtig. Wenn Verstand und Herz verdorben wären, womit könnten wir Gott erkennen? Es gibt in uns verdorbene Dinge, aber nicht alles ist verdorben. Ich frage euch: Wenn ihr weder an euren Verstand noch an euer Herz glaubt, an wen glaubt iht dann? Wenn mein Verstand und mein Herz verdorben wären, könnte ich an euch glauben? An wen sollen wir glauben? An Den Herrn, Der in uns wohnt. Und wenn wir an uns selbst glauben, werden wir auch an unsere Brüder glauben. Wer an Den Herrn, Der in ihm lebt, nicht glaubt, kann auch den anderen Menschen nicht glauben. Jenen, der seinem Nächsten nicht wohlgesonnen ist, liebt Gott nicht sonderlich. Darum sagt Der Herr, daß wir unsere Nächsten lieben sollen. Euer Nächster ist zerschunden, gekreuzigt, ans Kreuz genagelt. Nicht Der Herr im Himmel, sondern ihr auf Erden habt den Hammer geführt. Das ist die traurige Wahrheit, lest sie im Evangelium nach. Eure Erlösung wird nicht anders vonstatten gehen, als durch eine solche Kreuzigung der Geduld und der Güte. Dann wird eure Erlösung kommen. Ihr werdet sagen: „Das ist ein schweres Los!“ Es ist nicht schwer. Ihr sollt euch nicht fürchten. Ans Kreuz genagelt zu werden, ist angenehm. Der Herr duldet seit Jahrhunderten die Kreuzigung. „Und wenn sie uns schadet?“ - Sie wird euch nicht schaden! Menschen, die sich vor Leiden fürchten, wollen wir nicht in unserer Schule. Ihr sollt Dem Herrn für diese Leiden danken: Sie sind von Ihm geschickt. Ihr verdient diese Leiden, die euch jetzt gegeben werden, ihr seid ihrer würdig. Wenn Christus keine Dornenkrone getragen hätte, wenn Er nicht ans Kreuz geschlagen worden wäre, wie würde sich diese Liebe offenbaren? Würdet ihr Ihn heute lieben, wenn Er als König gelebt hätte? Ihr liebt Ihn, weil er sich um unserer Erlösung willen kreuzigen ließ.
Seid von jetzt an Helden, fürchtet euch nicht vor Leiden, sondern zeigt der Welt, daß ihr stark seid, und daß ihr nicht nur ein Kreuz, sondern wenn es sein muß, auch zehn Kreuze zu tragen bereit seid. Irgendein Mensch beklagte sich, daß das Kreuz, das er trug, zu schwer war; Der Herr sagte: „Nehmt es ihm ab!“, führte ihn in einen großen Saal und sagte: „In diesem Raum gibt es große und kleine, goldene und silberne, eiserne und bleierne Kreuze, wähle dir von diesen eins aus!“; der Mensch stöberte lange herum, fand endlich ein sehr kleines Kreuz und bat: „Dieses Kreuzchen will ich!“ - „Das ist das Kreuz, das du bis jetzt trugst; dies hatte ich extra für dich bestimmt!“, antwortete ihm Der Herr. Wir übertreiben oft mit unseren Leiden. Sie sind der Weg zu unserer Erhebung, zum Ebenbild Gottes. Wenn ein Mensch leidet, sollten wir uns sagen: „Er ist ein Sünder auf dem Weg zur Erlösung!“ Ich preise ihn glücklich und sage zu ihm: „Bruder, du bist näher am Himmel; ich wäre gern an deiner Stelle!“ Wenn jemand sagt: „Ich habe kein Leiden gesehen!“, sage ich ihm: „Du bist noch grün!“ Grün ist ein angenehmer Zustand, aber wenn die grüne Frucht anfängt zu reifen, kommen die Leiden. Haltet diesen Gedanken in euch, ich gebe ihn von Seiten Gottes zum Nachdenken: Wenn zu euch ein Leiden kommt, sollt ihr euch freuen und Dem Herrn dafür danken, daß Er euch so liebt, daß Er es euch schickt. Die Leiden sind ein Merkmal der Gottesliebe und alle sollten dieses Kreuz tragen. Darum hat Der Herr dem gesamten bulgarischen Volk, wie einer einzigen Seele, diese Leiden gegeben, damit es die großen Eigenschaften - die Geduld und die Wohlgesonnenheit - erlernt. „Aber“, sagt ihr, „die Griechen und die Serben sind so und so besser dran!“ - Macht nichts, ihr sollt nicht darauf achten, ihr sollt die Lektion über eure Erlösung lernen und außer Acht lassen, was die anderen sind: Sie haben nichts gewonnen und die Zeit wird auch für sie kommen, ihre Lehre zu machen, die euch früher gegeben wurde, wofür ihr danken und nicht murren sollt. „Uns haben die Leute gekreuzigt!“ „Das macht nichts, ihr seid näher an Mir!“, antwortet Der Herr. „Die anderen nicht; sie sind noch fern, aber sie werden auch in diese Lage kommen!“ Wenn ihr gekreuzigt werdet, werdet ihr in Gottes Reich eintreten. Darum sollten wir uns freuen, daß wir etwas mehr in dieser Welt haben. Werden wir alle Gefolgsleute Christi und tragen wir mit Würde diesen Namen auf Erden: Christen. Was euch die anderen auch sagen, wir sollten es beiseite schieben. Stattdessen geduldig und wohlgesonnen werden und unsere Pflicht zu Gott so tun, wie wir sie uns mit reinen Gedanken und Wünschen vorstellen. Laßt uns auf diesem großen Weg nie straucheln, sondern kühn und entschlossen kämpfen und jeden unserer Mitkämpfer ermutigen. Dies ist die Kraft, durch die wir die momentanen Schwierigkeiten überwinden werden.
(Gehalten, am 6. Juli 1914 in Sofia)
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